Neue Texter-Regeln 2017 - daran halten sich erfolgreiche content-Entwickler

Ich habe früher mit meinem Mann gern den Knigge-Contest im Restaurant gemacht. Wer als erstes eine Regel bricht, bezahlt die Rechnung. Ich hatte bald keinen Cent mehr in der Tasche – aber jetzt weiß ich, dass man Kartoffeln nicht mit dem Messer schneidet. Der Sinn dieser Regel? Kartoffelstärke lässt Silberbesteck anlaufen.

Diese Vorschrift braucht heute kein Mensch mehr.

Doch einige Umgangsregeln von Freiherrn Knigge aus dem 18ten Jahrhundert sind noch aktuell. Und es sind viele neue dazugekommen. Ich darf als Gastgeberin verlangen, dass die Schuhe ausgezogen werden. Und beim Essen mit dem Smartphone daddeln gehört sich einfach nicht. Das ist Konsens, oder?

Beim Texten im Online-Marketing ist das ganz genauso:

Es gibt klare Regeln, wie man guten Content schreibt. Es sind nur andere als früher.

Früher heißt: Vor 10 Jahren, als Marketing noch analoger war.

Die Medien, die wir für Marketingtexte nutzen, haben sich so schnell verändert wie Zombie-Mutanten-Piranhas. Wir schreiben E-Mail-Newsletter statt Geschäftsbriefe. Blogs statt Advertorials. Landingpages statt Anzeigen. Wenn wir damit Kunden vom Hocker reißen wollen, müssen wir auch anders schreiben als die Textgötter von anno dazumal.

Du kannst keine Anzeigencopy von 2003 nehmen (egal wie großartig, egal ob von Ogilvy oder Jung von Matt) und auf deine Landing Page kopieren.

Warum eigentlich nicht?

Weil sich nicht nur die Medien geändert haben. Die Kunden haben sie komplett gewandelt. Die wollen nicht, dass man ihnen etwas verkauft (ein cooles Image, ein geniales Produkt). Sie wollen ein Problem gelöst haben. Und dabei selbst Regie führen.

Selbstbestimmtheit ist das Zauberwort. Und das Internet ist das Medium, mit dem sie funktioniert.

Marketer setzen deshalb auf Inbound- und Content-Marketing. Doch über die Auswahl der Marketing Automation Software, Sales-Funnel-Taktiken und Content-Strategien legen viele nicht besonders viel Wert auf die Umsetzung:

Guter Content ist gut geschrieben.

Der Kunde 2017 will sich selbst informieren, selbst entscheiden und dabei gut unterhalten werden.

Was heißt das für unsere Texte?

Es gibt universelle Regeln für guten Textstil, die 1960 schon genauso aktuell waren wie heute – und die in praktisch jeder Publikation zum Thema Texten heruntergebetet werden:

Die Evergreens der Texter-Regeln

  • Formuliere aktiv, nicht passiv

  • Nutze Verben statt Substantivierungen

  • Strukturiere deinen Text in Absätze und Zwischenüberschriften

  • Schreib aufmerksamkeitsstarke Headlines

  • Wechsle dynamisch zwischen kurzen und längeren Sätzen

  • Schreib so einfach wie möglich

  • Streiche Füllwörter

  • Setze Adjektive sparsam ein

Du kennst diese Regeln, klar. Es gibt sogar noch mehr davon. Sie sind nach wie vor hilfreich und ich nutze sie auch als Stilkompass. Die Umsetzung ist nur nicht immer so einfach wie das Vorbeten können.

Konkrete Beispiele und Anwendungshilfen findest du in meinem gratis Texterpower-Kurs.

Aber hier möchte ich neue Regeln vorstellen, mit denen du in der Content-Flut oben schwimmst – und es deinen eigenwilligen Lesern recht machst. Ja, das willst du. Sie sollen dir zu Füßen liegen.❤️

Hier kannst du gleich zur Infografik springen.

Neue Regeln für alle, die online schreiben und vermarkten

Bildquelle: https://moviesdrop.com

Bildquelle: https://moviesdrop.com

 

Regel #1: Mach's spannend

Das Wichtigste steht oben.

So habe ich das im Deutschunterricht gelernt. Und im Studium später noch mal: Damit der Leser die entscheidende Info mitnehmen kann, auch wenn er den Artikel nicht zu Ende liest.

Für Online-Texte gilt das nicht, auch wenn es gerne behauptet wird. Denn: Dein Ziel ist, den Leser bis zum letzten Wort mitzunehmen. Die Verweildauer auf einer Internetseite ist nicht aus Zufall eine Messgröße für die Qualität der Inhalte.

Also überleg mal: Willst du deinen Leser so schnell wie möglich informieren oder willst du ihn auf deiner Seite behalten? Nummer zwei gewinnt.

Wenn dein Leser die Lösung gleich erfährt, hat er keinen Grund mehr weiterzulesen.

Das einfachste Stilmittel für spannende Texte: Informationen zurückhalten. Mach ein großes Versprechen und nimm dir einen ganzen Text lang Zeit es einzulösen.

Diese Mechaniken eignen sich:

A) Das Problem erklären und dann häppchenweise die Lösung beschreiben: Schritt für Schritt Anleitungen, Listen à la „10 Gründe, warum dein Rasen nicht wächst“

B) Den Idealzustand ausmalen, den der Leser erreicht, wenn sein Problem erst einmal gelöst ist. Dann die Lösung erklären.

Hauptsache du verrätst nicht gleich alles.

Nein, das ist nicht fies.

Und dein Kunde wird dich nicht hassen. Im Gegenteil. Du unterhältst ihn ja. Das Vorenthalten dient nur als Mittel zum Zweck. Du bereitest ihm süße Qualen.

Aber du musst zwei Dinge beachten:

  • Ziehe den Text niemals unnötig in die Länge. Dein Leser hat wenig Zeit und du willst seine nicht stehlen. Die Spannung entsteht durch die Reihenfolge, in der du die Informationen präsentierst

  • Du musst das Versprechen, das du gegeben hast, einlösen. Wenn du schreibst: „Wie du mit 5 Minuten Arbeit eine Million Euro verdienst“, musst du auch erklären, wie es geht.

Bildquelle: Interviewonline.ch

Bildquelle: Interviewonline.ch

Regel #2: Sei kein Verkäufer

Moment mal: Der Daseinszweck eines Marketingtexts ist zu verkaufen. Absolut richtig.

Das Problem ist nur, dass keiner es mag, wenn ihm jemand etwas verkauft. Welches Adjektiv verbindest du mit „Verkäufer“: Wunderbar. Ehrlich. Liebenswert?

Oder eher: Schmierig. Schleimig. Aufdringlich?

Niemand kann Verkäufer leiden. Aber wir kaufen alle gern etwas. Der Kunde von heute will sich nicht drängen lassen, sondern aus freien Stücken entscheiden. Das ist eine relativ neue Entwicklung, die kein Marketer ignorieren darf.

Wenn du diese Erkenntnis in deinen Marketingtexten berücksichtigst – auf Landing Pages, in Blogposts, im E-Mail Newsletter – hast du gewonnen.

Heißt das, du verkaufst am besten gar nicht?

Nein, es geht um die Art und Weise: Wenn du zum Kaufen nötigst, deinen Text mit Superlativen spickst und deine Leistung über den grünen Klee lobst, wirkst du bedürftig. Du hast es offensichtlich nötig, aggressiv zu verkaufen.

Es gibt einen viel besseren Weg, der nebenbei deine Kundenbeziehung langfristig stärkt: Du bietest deinen Kunden hilfreiche Informationen und gute Unterhaltung. Du präsentierst dich als verlässlicher Partner. Und dann gibst du ihnen die Gelegenheit, Produkte und Leistungen von dir zu erwerben.

Wenn dein Kunde dich mag und erkannt hat, dass du ihm hilfst, dann will er auch von dir kaufen. Und zwar nur von dir.

Die Entscheidung bleibt ganz allein beim Kunden. Du nötigst niemanden.

Diese Verkäufer-Stilmittel solltest du weglassen:

  • Superlative: Wir haben die glücklichsten Kunden der Welt. Unsere Produkte sind die schönsten, schlausten und tollsten.

  • Aggressive CTAs (Call to Action): Jetzt kaufen. Letzte Chance. Sichern Sie sich…

  • Adjektiv-Aufzählungen, die vor Eigenlob stinken: Unsere bahnbrechende, hoch-innovative, leistungsstarke Heckenschere

  • Ausrufungszeichen (unseriös, laut, billig – das ist meine qualifizierte Meinung)

So kannst du deine Leistungen trotzdem verkaufen:

  • Lass Kunden sprechen: Kundenstimmen als grafisch hervorgehobenes Element im Text sind viel stärker als wenn du dich selbst lobst.

  • Trag deine Verkaufsbotschaft klar und mit persönlichem Touch vor: „Wächst Ihnen der Garten über den Kopf? Hier entlang zur neuen Heckenschere.“

  • Hebe den CTA grafisch hervor.

 

 

Regel #3: Verarsche deine Kunden nicht

In den letzten Monaten sind mir Online-Marketing-Stilblüten untergekommen, über die ich mich kaputtlachen könnte.

Da werden Verkaufsschluss-Deadlines gesetzt. Und kurz danach wieder aufgehoben, weil es eine technische Panne gab (ist klar…). Deshalb ist das Produkt jetzt auch noch eine weitere Woche zum Frühbucherpreis erhältlich.

Oder man darf sich für eine Mastermind-Gruppe bewerben. Und erst nach ewigen Mails erfährt der Leser, dass die Mitgliedschaft mehr als einen Pappenstiel kostet.

Auch toll. Ein Marketing-Guru tönt: "Meine Facebook-Gruppe ist geschlossen. Es kommt keiner mehr rein." Und dann werden die Pforten wie durch ein Wunder für einen Tag geöffnet.

Liebe Online-Marketer: Glaubt ihr, eure Kunden sind doof? Ich sage euch: Die kapieren es ganz genau, wenn sie für dumm verkauft werden. Und sie nehmen es euch übel. Ihr macht eure mühsam aufgebaute Credibility auf einen Schlag kaputt.

Diese Mittel sind zum Scheitern verdammt. Einmal kann man so einen Stunt vielleicht abziehen, aber spätestens beim zweiten Mal wird jeder Kunde misstrauisch.

Billige Tricks bringen höchstens kurzfristige Erfolge. Als langfristige Vermarktungsstrategie taugen sie nicht.

Also: Trickkiste zu. Wenn du auf Stilmittel wie Verknappung setzen willst, dann musst du die Zähne zusammenbeißen und dein Produkt nach der Deadline wirklich nicht mehr verkaufen. Wenn der Umsatz noch nicht stimmt, Pech. Komm drüber weg.

Dein Standing beim Kunden ist wichtiger als dein aktuelles Umsatzziel.

 

Regel #4: Schreib nicht altmodisch

Wenn ich mir Marketingtexte durchlese, kommen mir oft Stilmittel und Formulierungen unter, die Seriosität vermitteln wollen. Dabei haben sie einen ganz anderen Effekt: Sie wirken altmodisch und schaffen Distanz zum Leser – und genau das kann sich kein Unternehmen mehr leisten.

Wer förmlich schreibt, ist nicht professionell.

Ich kann meine Kompetenz viel besser durch die richtigen Inhalte vermitteln als durch eine gestelzte Ausdrucksweise. Du willst dich nicht aufplustern und deinen Professor beeindrucken. Du willst eine Verbindung zum Kunden herstellen.

Gerade im Online-Marketing ist der persönliche Draht zum Leser erfolgsentscheidend. Es geht darum, einen Dialog zu führen.  

Hier erkläre ich, welcher Schreibstil jeden Kunden begeistert.

Das solltest du vermeiden:

  • Verstecktes Beamtendeutsch wie „unter Berücksichtigung von“, „beiliegend finden Sie“, „stets“

  • Sperrige Konjunktionen wie „sowohl als auch“, „nichtsdestotrotz“ und „sowie“

  • Präteritum. Schreib im Perfekt, das klingt nicht so hochgestochen. Also nicht: „Unsere Ingenieure entwickelten einen durchzugstarken Motor, der die Umwelt schont.“ Sondern: „…haben einen durchzugstarken Motor entwickelt…“

  • Anführungszeichen, um Ironie oder einen Witz zu kennzeichnen: Unsere Feinschmecker-Torten sind eine „runde Sache“ (Diese Anführungszeichen sind für mich körperlich schmerzhaft. Wie auf Schaumstoff beißen).

Das darfst du:

  • Du musst nicht zwanghaft deutsch bleiben. Unsere Kultur ist englischsprachig beeinflusst – total global. Wörter wie „Impact“, „Millenials“ oder „Zero Moment of Truth“ sind nun wirklich keine No Goes mehr 😉. Nur nicht übertreiben.

  • Umgangssprache verwenden. Marketingtext ist heute dialogorientiert. Du sprichst im Text mit dem Leser. Deshalb darf er nicht geschrieben klingen. Achtung: Wenn du eine Anwaltskanzlei hast, solltest du nicht „stolz wie Bolle“ auf deine neue Webseite sein. Aber du kannst fragen, ob schon wieder ein Strafzettel ins Haus geflattert ist.

Text ist keine Wissenschaft. Du brauchst Fingerspitzengefühl.

 

Regel #5: Texte keinen Einheitsbrei

Text ist ein Ausdrucksmittel. Das klingt banal, aber was heißt das?

Du willst damit deinem Unternehmen Persönlichkeit verleihen. Auswendig gelernte Formulierungen sind Zombies, die deinem Text das Leben aussaugen. Marketing-Bla-Blub ist tödlich.

Auch wenn du nicht für dich allein, sondern für ein ganzes Unternehmen schreibst, darfst du dich individuell ausdrücken. Sei kreativ. (O Gott, ich hab’s gesagt. Das Zauberwort. Der kreative Mythos).

Individuell schreiben ist längst nicht so schwierig wie es klingt. Du musst nicht auf den Kuss der Muse warten und nicht alle Techniken des kreativen Schreibens beherrschen. Du brauchst keine geschwurbelten Konstruktionen.

Ganz im Gegenteil: Schreib lieber ein bisschen mehr wie du sprichst. So wie du deinen Kollegen morgens in der Küche erzählst, wie dein Sohn das Klo im Kindergarten mit Lego verstopft hat.

Trau dich was.

  • Benutze mal einen Ausruf oder einen unvollständigen Satz.

  • Bring deine Leser zum Schmunzeln oder zum Lachen (aber bitte keine Schenkelklopfer). Ernst ist kein Synonym für seriös (Häng dir das über dem Schreibtisch an die Wand).

  • Lass dein Leben in den Text: Ziehe Vergleiche mit deiner Lieblingsserie. Oder mit deiner Kaffeesorte. Oder mit Yoga, wenn das dein Sport ist.

Freiheit, yeah!? Ein paar Haken gibt es natürlich:

  • Korrekte Rechtschreibung und Zeichensetzung sind Pflicht.

  • Bei aller Liebe zum freien Ausdruck: Falsch bleibt falsch: "Am optimalsten", "Moritz hat dasselbe Shirt an wie Max". Autsch. Aua.

  • Bitte Wortdopplungen nur, wenn sie als Stilmittel dienen: Große Chance, große Reise, großes Erlebnis.

  • Verwende nur Fremdwörter, Wortschöpfungen und Metaphern, die dein Leser ohne langes Grübeln versteht

Am Ende entscheidest du selbst, wie dein Content sein soll: Frisch, persönlich und mutig. Oder verstaubt, neutral und angepasst.

Im Marketing hat sich in den letzten Jahren so viel verändert. Deshalb sind neue Text-Skills gefragt, um deine Ziel-Personas online zu begeistern.

Die Grafik zeigt alle Regeln auf einen Blick:

 

 

Auf welche Texter-Regel schwörst du? Ich freue mich über deinen Kommentar.