Raketenbauplan für explosive Einleitungen: Nimm den Leser mit zum Point of No Return.

Was hat die Einleitung mit einem Elevator Pitch gemeinsam?

Was hat die Einleitung mit einem Elevator Pitch gemeinsam?

Fast hättest du hier erfahren, warum das Laserschwert meines Sohnes im Müll gelandet ist. Und welches grandiose Ovid-Zitat mir zum Thema eingefallen ist. Seit 5 Tagen schreibe ich an dieser Einleitung herum.

Alles nur für dich.

Weil du weg bist, wenn meine ersten Sätze dich anöden. Genau wie DEINE Leser, wenn du ihnen nicht zackig etwas bietest.

Dieses Schicksal ereilte im Herbst 2005 einen Haufen Autoren, als ich in der Buchhandlung vor dem Regalabschnitt „Englisch, Fantasy, Sonstige“ stand. Ich zog jedes Buch heraus, das einen semi-prickelnden Titel hatte. Ich las die ersten Sätze und verbannte es wieder ins dunkle Regal. Nach 15 Büchern oder so blieb ich an einem hängen und kaufte es, obwohl es von irgendeinem No-Name-Autor war, der sich mit tolkienesken Initialen schmückte. Es hieß A GAME OF THRONES.

Warum ich das erzähle: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Leser abspringt, ist bei den ersten zwei Textabsätzen am höchsten. Das sage nicht nur ich, sondern auch Jeff Bullas (und der kennt eine Studie aus den USA dazu).

Aber nicht mit dir.

Du wringst nicht stundenlang dein Gehirn aus, bis du die perfekte Headline oder Betreffzeile hast, baust einen wohl strukturierten, gehaltvollen Fließtext – und stürzt dann mit dem Intro ab. Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem du dein wahnsinniges Grinsen aufsetzt. Schnall deinen Leser in die Rakete und nimm ihn mit zum Point of No Return.

Wenn deine Einleitung zündet, gibt es kein Zurück.

Hier kommt dein Raketenbauplan:

Drei Axiome zur Einleitung, mit denen dein Text abhebt

 1. Headline und Intro müssen zusammenpassen

Das frustriert mich täglich. Ich suche auf Twitter nach guten Artikeln zum Teilen. Dann finde ich endlich eine Headline, die mich emotional reinzieht. Ich platze vor Neugier, weil ich die Lösung wissen will. Oder vor Lachen, weil ich bei Wortwitz aus Prinzip die Beherrschung verliere.

Ich klicke. Meine Erwartungen reichen von hier bis zum Mars.

Dann werde ich mit allgemeinem Blablub bombardiert.

Viele Unternehmen / Rechtsanwälte / Eltern sind immer noch der Ansicht, dass….

Wir stehen heute vor großen Herausforderungen, wenn es um Asset Management / Hundetraining / Social Media Marketing geht.

Ich starre auf die ernüchternden Zeilen. Wie ein Playboy-Leser, der hinter dem verlockenden Cover eine Strickanleitung für Eierwärmer findet. Oder wie mein Sohn als ihn die Erkenntnis trifft, dass sein Lichtschwert bunt blinken aber keinen Tisch durchschneiden kann.

Ich wurde mit einer Headline angefixt und der Text zieht mich runter statt rein.

Das Problem ist nicht die Einleitung an sich: Schlimm ist, dass sie nicht zur Headline passt.

Wenn meine Headline mysteriös ist, dann muss meine Einleitung die entfachte Neugier schüren.

Wenn meine Headline emotional ist, erwarte ich so viel Drama wie auf einem Prinzessinnengeburtstag.

Und wenn meine Headline Zahlen nennt, will ich verdammt noch mal Beweise.

2. Die Einleitung bestimmt, ob und WIE der Text gelesen wird

Das Intro ist mehr als eine weitere Prüfung, die dein Text bestehen muss. Es stellt die Weichen, auf welche Weise dein Text konsumiert wird.

Leser haben drei Möglichkeiten:

A) Sie springen ab.

B) Sie missbrauchen deinen Text als Info-Halde und suchen ihn flüchtig nach Goldkörnchen ab. Mit Lesen hat das nichts zu tun.

C) Sie preschen im Text weiter wie Dreizehnjährige Star Wars schauen: mit aufgerissenen Augen und schwitzenden Händen, von Anfang bis Ende.

Ich wünsche mir, dass meine Texte gelesen werden, weil ich mehr als nackte Informationen zu vermitteln habe. Was ist mit dir? Deine Chancen stehen am besten, wenn du deinen Text in der Einleitung schmackhaft machst – als Lesestoff, nicht als Informationscontainer zum Scannen.

Das heißt: Die Einleitung ist nicht der Ort, um deine Gedanken zu sortieren oder – das fliegende Spaghettimonster bewahre – eine Inhaltsangabe zu schreiben. Hier beweist du, dass sich das Lesen lohnt.

Viel mehr als der Inhalt entscheidet deine Stimme über das Schicksal deines Texts.

Du hast nur Sekunden, um mit deiner Einleitung zu überzeugen.

Du hast nur Sekunden, um mit deiner Einleitung zu überzeugen.

3. Die Einleitung funktioniert wie ein Elevator Pitch

Deine Leser haben nicht so viel Zeit wie ich an einem freien Nachmittag im Stöbermodus. Sie fällen ihr Urteil wie Space-Cowboys auf Koks: annähernd in Lichtgeschwindigkeit.

Daraus ziehen viele eine falsche Schlussfolgerung: Weil der Leser schnell weg sein kann, sollen alle wichtigen Infos in die ersten beiden Absätze gestopft werden. Frage: Welchen Grund hat der Leser dann noch, sich den restlichen Text reinzuziehen?

Mein Tipp: Betrachte die Einleitung als Elevator Pitch.

Die Idee: Der Firmenboss steigt zu dir in den Fahrstuhl und du musst ihn davon überzeugen, dir sein Ohr zu leihen, bis sich die Tür öffnet.

Die Herausforderung: Der Firmenboss kennt dich nicht und interessiert sich nicht für dich. Du willst dich vorstellen, sein Interesse wecken UND ihn davon überzeugen, dir einen Termin zu geben. Dafür hast du nur wenige Sätze.

Du kannst ihm nicht alles verraten, weil du seine Neugier auf ein längeres Gespräch wecken willst. Aber du musst ihm genügend Informationen geben, um glaubwürdig zu wirken.

Wenn du diesen Anspruch auf deine Einleitung überträgst, soll sie in kürzester Zeit diese Aufgaben erfüllen:

  • Informieren, worum es geht

  • Überzeugen, dass sich das Lesen lohnt

  • Neugierig machen auf alles, was folgt

Was braucht deine Einleitung also: Bauteile-Checkliste

Tempo – komm zum Punkt

Egal, für welche Form der Einleitung du dich entscheidest: Sie muss schnell funktionieren. Am größten ist die Herausforderung bei Story-Einleitungen. Ich streiche sie immer auf etwa ein Drittel des Originals zusammen.

Charakter – hier schreibt nicht irgendjemand

Dein Schreibstil ist gefragt. In der Einleitung zeigst du dem Leser, was er von deiner Schreibe erwarten kann. Verwende deine Lieblingswörter, denk dir Vergleiche aus, lass deine Persönlichkeit durchblitzen. Sei humorvoll, intelligent, lakonisch, denn glaub mir: Alles ist besser als charakterlos.

Klar solltest du im Kopf behalten, was zu deiner Marke passt. Aber deine Angst, Kunden mit Humor zu verschrecken, ist meist unbegründet. Seit ich hier in derber Sprache übers Texten blogge, bekomme ich erstaunlich viele Anfragen von respektablen Unternehmen. 

Leserbezug – es geht mich was an

Deine Einleitung ist dazu da, den Leser abzuholen und eine Verbindung zwischen ihm und deinem Text zu schaffen. Wenn dir das gelingt, wird er gerne mitkommen. Zeig ihm, warum es sich für ihn persönlich lohnt, weiterzulesen.

Meine Empfehlung: Sprich deinen Leser direkt an – passend zu deinem Stil mit du oder Sie. So stellst du eine Connection her.

Neugier – raus damit, ich will’s wissen

Für mich das wichtigste Bauteil: Neugier entsteht, wenn der Leser mehr wissen will als du ihm schon gesagt hast. Dafür musst du nicht reißerisch sein.

Der Trick: Halte einfach eine entscheidende Information zurück. So machen das Stephen King und J. K. Rowling – und ab jetzt auch du.

Hier ein paar fiktive Beispiele, um die Mechanik zu verdeutlichen:

Du erfährst, wie du einen Replikator wie bei Star Trek baust.

Es gibt ein Wort, das Betreffzeilen sofort unglaubwürdig macht.

Mein Freund Jamie war letztes Jahr vollkommen pleite. Heute leitet er eine Firma mit 70 Angestellten.

Informationen – lesen lohnt sich

Wir sind uns einig: Du willst nicht all deine Infos in der Einleitung verfeuern. Aber einzelne Knaller machen Lust auf mehr. Konkrete Zahlen, Fakten und Daten schaffen sofort Vertrauen. Besonders gut funktionieren sie mit persönlichem Bezug:

Gehörst du zu den 92% der Texter, die am Imposter-Syndrom leiden?

Begeisterung – wow, das ist genial

Du willst deine Leser zum Weiterlesen motivieren. Aber wie soll das gehen, wenn du über ein faktenlastiges Fachthema schreibst? Mein bester Tipp dazu: Lass deine Begeisterung ungebremst in den Text einfließen. Leser merken, ob du eine Pflichtaufgabe erfüllst oder Feuer und Flamme bist.

Am einfachsten transportierst du deine Begeisterung, indem du persönlich wirst:

Das hat mich erstaunt.

Ich hätte nie erwartet, dass wir das in 3 Monaten schaffen.

Und Sie können das auch.

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Die Startsequenz, mit der du schnell tolle Einleitungen schreibst

 Ich teile die Einleitung in drei kurze Phasen auf.

 Phase 1: Reinziehen

Hat eine Aufgabe: den Leser in den Text zu ziehen. Lange Sätze zu Beginn schrecken ab. Du kannst den Einstieg mit einem einfachen Trick erleichtern: Starte mit einem sehr kurzen Satz, der zum Weiterlesen zwingt.

Frage:

Kennst du das?

Statement:

Mir ist etwas Schlimmes passiert.

Direkte Rede:

„Mama, wir haben dein Bett zerschnitten.“

Wenn der Leser erst mal drin ist, kannst du ihm auch längere Sätze zumuten. Er ist ja nicht doof.

Phase 2: Anschnallen

In dieser Phase stellst du eine Verbindung zum Leser her. Dein Ziel ist, ihn gefühlsmäßig an deinen Text zu binden. Das kann auf unterschiedliche Arten gelingen:

  • Führe einen Dialog, in dem du von deinen Erfahrungen erzählst und zur Abwechslung den Leser ansprichst

  • Erzähle eine kurze Geschichte

  • Versetze dich in die Lage des Lesers und beschreibe seine Situation

Phase 3: Abschießen

Der Leser ist bei dir. Im finalen Teil der Einleitung schürst du Erwartungen und schießt den Leser in den Hauptteil.

Ich mache das gerne mit einer Bullet Point Liste, in der ich den Inhalt meines Artikels schmackhaft mache.

Oder du teaserst ein Highlight an, das den Leser im Hauptteil erwartet. Such dir am besten eines aus, das weit unten im Text steht und einen hohen Must-Read-Faktor hat.

Die konkurrenzfähigsten Intro-Modelle

Wenn du die Bauteile und Phasen kennst, die deine Einleitung zum Raketenstart machen, bringst du jedes Modell zum Fliegen.

Michael D. Pollock hat in diesem englischsprachigen Artikel gängige Intro-Mechaniken zusammengetragen.

Willst du meine Favoriten wissen?

Die Story

Erzähle eine witzige, erstaunliche oder meinetwegen peinliche Anekdote und verbinde sie mit deinem Textthema. Dazu zähle ich auch Einstiege in direkter Rede, die einen Dialog wiedergeben. 

Pro: Du erzählst etwas von dir oder was dich bewegt hat - und gibst dem Leser die Chance, sich zu identifizieren.

Achtung: In der Kürze liegt die Würze. Kannst du deine Story schnell servieren?

Der Spiegel

Ziehe den Leser mit einer brennenden Frage in den Text. Dann hältst du ihm einen Spiegel vor und beschreibst lebendig seine Ziele, Wünsche und Hürden. Sprich ihn direkt an.

Pro: Näher am Leser geht’s nicht.

Achtung: Kennst du dein Wunschpublikum ganz genau? Dieser Ansatz steht und fällt damit, wie gut du dich in deine Leser hineinversetzen kannst.

Das Versprechen

Es klingt paradox, aber bei diesem Einstieg darfst du direkt sein. Gib einen Ausblick darauf, welches Versprechen dein Text erfüllt, welches Problem er löst oder welche Frage er beantwortet. Die einzige Regel: Du darfst den Weg dorthin nicht verraten.

Pro: Funktioniert fast bei jedem Text.

Achtung: Nicht zu sehr auf die Kacke hauen. Im englischen Sprachraum klingen die Versprechen viel größer als im deutschen. Du willst nicht plump verkaufen, sondern Neugier wecken.

Rakete startklar

Ich tüftle gern an der Einleitung herum, weil sie für mich das wichtigste Element im Text ist. Hallo, sie befördert meine Leser ins Geschehen. Dafür tue ich (fast) alles.

Du kannst auch zündende Intros schreiben. Nimmst du noch einen letzten Ratschlag mit? Ich fange fast nie mit der Einleitung an, sondern schreibe sie zum Schluss.

Wenn ich schon einen fertigen Text habe, kann ich konkret neugierig auf die Inhalte machen. Zudem bin ich mit meiner Aufgabe fast durch – also darf ich mir ein bisschen Zeit zum Experimentieren nehmen, wenn es den Text besser macht.

Haben dich meine Gedanken zum Intro weitergebracht oder hast du konstruktive Kritik? Immer her damit – ich beantworte deinen Kommentar auf jeden Fall.

Und hier kommt er:

Der Bauplan für zündende Einleitungen als Sketchnote – zum Speichern und Teilen.


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Daniela Rorig, M.A., Business-Textercoach & Vollblut-Werbetexterin

Daniela Rorig, M.A., Business-Textercoach & Vollblut-Werbetexterin

Die Autorin Daniela Rorig
Kämpft für Textkompetenz im Online-Marketing. Rebelliert gegen Blabla, Stilsünden und schimmlige Regeln. Befähigt Texter und Content-Macher, magische Webtexte, Blogs und E-Mails zu schreiben.

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